Die Bibi-Story

Aufgeschrieben im Mai 1997. Meine erste Ehe hielt von 7.2.1997 bis 12.12.2001. Formal. Tatsächlich trennte er sich im März 1997 von mir. Dafür bin ich im Rückblick natürlich unendlich dankbar. Denn das machte den Weg frei für meine zweite, die schönste Ehe und das schönste Leben, die ich je hatte.


Augenblicke

Irgendwann im Herbst 1995 brachte er mir eine Schorle und schenkte mir sein typisches charmantes Lächeln. Ich saß mit Freunden im Weinkeller, dachte bei mir „nicht übel, der Kleine“ und das war’s dann erst mal. Zu dem Zeitpunkt stand mir mein Diplom bevor, was bis zum darauffolgenden Sommer auch die Hauptrolle in meinem Leben spielen sollte. Darum ging ich in der Zeit auch nur selten aus und sah ihn vielleicht  noch 2-3 Mal, bevor „es“ passierte. Einmal nannte ich ihm beim Bezahlen meinen Namen und erriet seine ägyptische Herkunft und ein andermal fragte ich direkt, ob ich ihn nach der Arbeit mit zu mir nehmen dürfe, was  aber an seinem späten Feierabend und meinem Korrekturtermin am nächsten Tag scheiterte. Also behielt ich ihn mir im Hinterkopf, sozusagen als „Leckerli“ für später.

 


Die erste Nacht

An jenem unvergeßlichen Juliabend nach meiner gut verlaufenen Diplomprüfung feierte ich bis zum Zapfenstreich mit meiner Weiberrunde in einer Apfelweinkneipe. Als mir auch danach noch nicht zum Schlafen zumute war, fiel er mir plötzlich wieder ein.
Unter einem Vorwand zerrte ich meine Freundin Kati zum Weinkeller, wo Moataz gerade noch ein paar Gläser abtrocknete. Alle Gäste waren schon gegangen, und als Moataz den erfreulichen Grund unseres Besuches erfuhr, füllte er drei Kelche Champagner, legte Salsamusik ein und tanzte mit mir. Irgendwann brachten wir Kati nach Hause und fuhren zu mir. Wir beide allein, endlich. Es wurde eine wunderschöne Nacht, in der wir außerdem noch viel Zeit zum Reden fanden...
Am nächsten Morgen wußte ich, daß er mit mir zum ersten Mal eine Frau betrogen hatte und daß er sich schon fast 5 Jahre illegal in Deutschland aufhielt. Er erzählte mir auch, warum er um jeden Preis in Deutschland leben wollte und warum er diesen Weg gewählt hatte. Seine Gründe fanden mein tiefstes Verständnis und sein Mut meine Bewunderung. Dennoch riet ich ihm zu diesem Zeitpunkt noch,
es sich mit jener Anderen nicht zu verscherzen, falls diese ihn heiraten wolle, denn, so scherzte ich: auch wenn er noch so darauf angewiesen sei - ich würde ihn notfalls bestimmt nicht  heiraten...
Aber ich lieh ihm vertrauensvoll mein Auto und mein Gefühl sagte mir, daß die vergangene Nacht kein üblicher „one-night-stand“ gewesen war, obwohl ich nichts anderes vorgehabt hatte.



Der Heiratsantrag

Mein Gefühl sollte Recht behalten: er trennte sich von der Frau, wir sahen uns fast jeden Tag und als ich ein Wochenende später für einige Flamencoauftritte nach Weikersheim fuhr, kam er überraschend nach, sah zu, liebte mich, und fragte mich dreist, ob ich ihn nicht doch heiraten wolle. Dann fuhr er wieder fort. Ich hatte noch einen Auftritt in Rothenburg ob der Tauber, und auf meiner Fahrt von Weikersheim dorthin überlegte ich mir, einzuwilligen. Wenn ich ihn wollte, hatte ich keine andere Wahl und ich wollte ihn. Außerdem gefiel mir der zusätzliche Sinn unserer Hochzeit. An jenem Abend trug ich Weiß und tanzte sehr beschwingt.

 

 

Kleine Dramen

Danach zog Moataz bei mir und meiner Freundin Shayma, in unsere Zwei-Frauen-WG ein. Ca. zwei bis drei Wochen nach unserer ersten Nacht, stellte ich ihn als meinen zukünftigen Mann meinen Eltern vor. Sie fielen natürlich aus allen Wolken und befürchteten Schlimmstes. Unsere wunderschöne erste Zeit der Verliebtheit wurde getrübt von Familiendiskussionen, Briefen, vielen Tänen und Funkstille.
Auch Freunde meldeten Zweifel, im Sinne von „Nicht ohne meine Tochter“ an. Es half alles nichts: ich hatte mich für Moataz entschieden, und war wild entschlossen, ihn zu heiraten. Heute wundert mich, daß wir nicht verzweifelten, als wir nach und nach erfuhren, welche Hindernisse wir auch außerhalb der Familie noch zu überwinden hatten, aber die Liebe verlieh uns wohl Flügel...

 

 

Alltag

Es begann der lange Weg durch die Bürokratie, neben dem wir arbeiteten und ich begann, Arabisch zu lernen, obwohl uns dafür oft kaum noch Zeit blieb. Währenddessen begleitete uns die Sorge, Moataz könne noch vor der Umsetzung unserer Pläne erwischt, und wir gewaltsam getrennt werden. Dazu kamen Moataz’ Probleme, ohne Papiere überhaupt einen Job zu finden und zu behalten. Schließlich hatte er keine andere Wahl, als in dem Weinkeller zu kellnern, in dem wir uns kennengelernt hatten, und zwar mit extremen Arbeitszeiten und höchstem Arbeitsaufwand unter ständiger Schikane seines perversen Chefs. Dafür erhielt er eine lächerlich geringe Entlohnung, mit der es uns kaum möglich war ausreichend für unser Hochzeitsvorhaben zu sparen. In jeder Hinsicht, gesellschaftlich, familiär und finanziell war unsere noch so junge, zarte .Liebe einem solch enormen äußeren Druck ausgesetzt, daß uns nur zwei Wege blieben: aufgeben oder noch enger zusammenrücken mit einem stolzen und trotzigen “und jetzt erst recht!“

 


Im Irgarrten

Zu Anfang glaubten wir in unserer Unwissenheit und Naivität noch, wir bräuchten nur auf das örtliche Standesamt zu gehen und würden sogleich verheiratet, wodurch Moataz’ Aufenthalt in Deutschland
automatisch legalisiert wäre... Wir saßen noch vielen Irrtümern auf, bevor uns unsere einzige kleine unsichere Chance bewußt wurde...
Die ersten brauchbaren Informationen erhielten wir von der iaf, dem Verband bi-nationaler Familien und Partnerschaften, dessen Adresse ich in einem Hochzeitsbuch aus der Bücherei gefunden hatte. Zum einen erwarben wir dort einige brauchbare Dokumente über ägyptisch-deutsche Eheschließungen, zum anderen erhielten wir eine preiswerte, brauchbare, wenn auch sehr ernüchternde Beratung. Danach war uns klar, daß wir uns in einer Sackgasse befanden, aus der nur mit etwas Glück ein Weg heraus führte.
Wir konnten nicht in Deutschland heiraten, weil Moataz seinen Paß hätte zeigen müssen, aus dem einwandfrei seine Illegalität hervorging. Wir konnten aber auch nicht ausreisen, um zu heiraten, weil er ebenso bei einer Ausreise hätte seinen Paß zeigen müssen und dann wäre er sofort in Abschiebehaft genommen worden und hätte eine Ausweisung erhalten. An jeder Paßkontrolle eines Flughafens, egal in welchem Land wäre Moataz aufgeflogen. Er hätte sich auf eine Abenteuerreise begeben können, in dem er versucht hätte per Autostop durch Frankreich und Spanien Tarifa zu erreichen um dort einen Fischer zu bestechen ihn nach Marokko zu bringen...



Der Plan

Nach sovielen Jahren der Illegalität, war uns jedoch mehr nach einer sauberen Lösung zumute, die uns garantieren würde irgendwann vereint legal in Deutschland zu leben. Das schien möglich, falls wir uns den Behörden stellten, was zunächst aber eine zeitlich begrenzte Trennung bedeuten  würde. Mit einem Jahr rechnete auch unser Anwalt, den wir uns inzwischen zugelegt hatten. Wieviel ist jedoch ein Jahr für eine Liebe die noch nicht mal halb so lange existierte... jeder Tag ohne den anderen schien uns unendlich...
Dennoch hatten wir vor, uns der Ausländerbehörde zu stellen, sobald wir unser Ehefähigkeitszeugnis, alle anderen zur Hochzeit erforderlichen Papiere und unsere Flugtickets in der Hand hielten. Mit Hilfe unseres Anwalts wolten wir die zwangsläufige Ausweisung nachträglich befristen lassen und nach unserer Hochzeit in Kairo sofort einen Antrag zur Familienzusammenführung stellen. Unsere größte Hoffnung ging dahin, daß ich nach der Hochzeit alleine wieder in Deutschland „nur“ noch ein halbes Jahr auf die Wiedereinreise meines frischgebackenen Ehemannes warten müßte. Unser Anwalt las uns das Strafgesetzbuch vor und erklärte, daß selbst eine einjährige Trennung einem glücklichen Ausgang entspräche. Wir malten uns schon die unerschwinglichen Telefonrechnungen aus und überlegten, ob und wie ich Moataz innerhalb dieser Zeit in Ägypten besuchen kommen könne.



Schatten

Wenn auch für viele der Gedanke nahe lag, daß Moataz mich nur wegen seiner Aufenthaltserlaubnis heiraten wolle, so wußte ich es doch jede Sekunde besser und das bis heute. Dennoch war ich sehr verärgert darüber, daß mein Geliebter, als er in die Illegalität eintrat, sich und seiner zukünftigen Frau solch eine hohe Hypothek aufgebürdet  hatte und von vorneherein wie selbstverständlich mit eingeplant hatte, daß sie ihn schon retten würde, indem sie ihm half die Suppe auszulöffeln,
die er allein sich selbst eingebrockt hatte. Aber mich hatte ja niemand gezwungen, einzig meine Liebe zu ihm ließ mir keine andere Wahl, als den schwierigen Weg mit ihm zu gehen. Er war mir dankbar und es tat ihm leid.



Nestwärme

Es gab auch Lichtblicke in dieser schweren Zeit, so hatte sich nämlich die starre, ablehnende Haltung meiner Familie in vorsichtige Zuneigung umgewandelt, spätestens nachdem Moataz sie alle zu einem selbst zubereiteten ägyptischen Festmahl eingeladen hatte. Bald genoß  Moataz, der sich nicht viel aus seiner Religionszugehörigkeit macht, sein erstes „richtiges“ Weihnachten im trauten Familienkreis seitdem er in Deutschland war.
Ich kündigte an, daß wir im Februar nach Ägypten fliegen und heiraten wollten, doch meine Eltern schienen das nicht für möglich zu halten. Sie hätten uns gerne noch mindestens ein weiteres halbes Jahr abwarten gesehen, doch das Risiko war uns zu hoch und unsere provisorische Not-Wohngemeinschaft niemandem länger zumutbar. Als der Februar näher rückte, waren wir selbst nicht sicher, ob wir unseren Papierkram und unsere Finanzen fristgerecht beisammen haben würden.


Behörden

Das meiste Geld gaben wir für Telefonrechnungen aus, denn jeden Tag rief Moataz in Kairo an, um wieder nur eine weitere Hiobsbotschaft von seinem Bruder zu hören, der sich mit großem Einsatz um Moataz’
Papiere für das Ehefähigkeitszeugnis kümmerte. Als er sie endlich beisammen, und per Express nach Deutsch-land geschickt hatte, mußten wir dennoch einige weitere qualvolle Tage warten, bis wir die übersetzten und legalisierten Dokumente endlich in den Händen hielten.
Nun war es an mir, zu rennen, von einem Amt zum nächsten, mal war ich richtig, mal war ich falsch, Gebühr hier, Stempel dort, Legalisation an einem anderen Ort...
Es kostete viel Zeit, Geduld, Beherrschung und Geld, doch es kam der Tag, an dem ich stolz mit meiner gesammelten Beute zum örtlichen Standesamt ging, um mir damit mein Ehefähigkeitszeugnis zu holen.

 

 

Auf dem Standesamt

Ich log den Standesbeamten an, mein Verlobter würde in Kairo wohnen und dort auf mich warten, wes-wegen ich auch seinen Reisepaß nicht vorzeigen könne. Währenddessen wartete Moataz draußen im Auto.
Dem Standesbeamten hätten indes einige Unstimmigkeiten auffallen müssen, ich weiß nicht, ob er sie nicht sah, oder nicht sehen wollte, jedenfalls erbarmte er sich auf mein heftiges Drängen hin, mir das Ehefähig-keitszeugnis sofort auszustellen, obwohl die übliche Bearbeitungszeit zwei Wochen betrug.
Fast hätte ihn eine zu gewissenhafte Kollegin daran gehindert und ich schickte viele kleine Stoßgebete los. Sie wurden erhört. Ich mußte mich beherrschen, nicht zum Wagen zu rennen, in dem Moataz saß und ungeduldig wartete, denn wir hatten vor dem Fenster des Standesamts geparkt. Die erste große Hürde, an der schon alles hätte scheitern können, war genommen! Im Nachhinein entdeckte eine Freundin, daß mein Geburtsdatum falsch getippt war, und ich mußte noch
einmal kniezitternd zum Standesamt. Doch wieder hatten wir Glück, und schließlich besaßen wir dieses Zeugnis, welches bestätigte, das nach deutschem Recht unserer geplanten Ehe keine Hindernisse entgegenstünden. Damit  würden wir, direkt nach unserer Ankunft in Kairo, bei der deutschen Botschaft eine legalisierte Übersetzung für das ägyptische Standesamt erhalten, die ihrerseits aber noch einer weiteren Legalisierung des ägyptischen Außenministeriums bedurfte.



Die Bedrohung

Doch soweit waren wir noch nicht, vor uns lag noch die größte Hürde, die inzwischen sogar meiner Mutter schlaflose Nächte bereitete: unsere Vorsprache bei der Ausländerbehörde. Den ersten Schritt machte unser Anwalt, indem er in unserem Beisein dort anrief, um uns beim dortigen Leiter anzukündigen. Dieser nahm Moataz’ Personalien auf und erlärte knapp, daß Moataz mit Ausweisung zu rechnen hatte. Wir schluckten, und Moataz machte Alpträume. In der Zwischenzeit faxte unser Anwalt Kopien von Moataz’ Paß und der Rechnung für unsere Flugtickets zur Ausländerbehörde und bat um Gnade. Ich begann mit meinen eigenen Vorbereitungen für unseren Besuch in der Höhle des Löwen... Mir kam die Idee, ein schriftliches Geständnis für Moataz zu formulieren, welches vor Demut und Reue nur so triefte. Das mußte er in Schönschrift abschreiben. Meine zweite Idee war die Produktion von zwei Partner-T-shirts mittels Laserkopierer: das Motiv war eine Collage aus einem entzückenden Foto von Moataz und mir, zwei knutschenden Kamelen, dem Stadtplan von Kairo, unserem Ehefähigkeitszeugnis und einem arabischen Schriftzug, der besagte, daß wir bis in alle Ewigkeit zusammengehören würden. Jeder, dem ich meine Produkte zeigte, bezeugte mir Kreativität und unheilbare Romantik, konnte sich aber nicht vorstellen, daß ich damit in der harten Realität Erfolg haben würde.



Auf, in den Kampf!

Der Tag, für den unser Anwalt uns angemeldet hatte, kam. In der Nacht vor meinem Diplom hatte ich weit besser geschlafen und Moataz hatte seine sonst übliche Gelassenheit verloren. Auf der Fahrt rechneten wir uns aus, wieviele Tage wir uns noch sehen konnten, bevor wir getrennt würden. Wir hatten die T-shirts an, waren auch sonst im Partnerlook gekleidet und hatten die bevorstehende Situation unzählige Male durchgespielt. Uns war schlecht. Der Leiter der Ausländerbehörde begrüßte uns und ließ uns warten.
Moataz schaute aus dem Fenster und schrak zusammen, sobald er ein Polizeiauto sah; die Polizeistation war nebenan. Schließlich wurden wir in das Büro des Leiters gebeten. Dort saßen wir uns im Dreieck gegenüber, starrten uns an wie die Kaninchen und schwiegen zunächst. Moataz brach das Schweigen, in dem er „sein“ schrift-liches Geständnis überreichte. Es fand wie auch unsere T-shirts weit mehr Anerken-nung, als wir je zu hoffen gewagt hatten. Nachdem der Leiter uns auf die Nähe der Polizei, und die Möglichkeit, Moataz festnehmenzulassen hingewiesen hatte, ließ er ganz unbürokratisch Gnade walten und stellte Moataz eine Grenzübertrittsbescheinigung aus, mit der wir unbehelligt zu dem von uns zugesicherten Termin ausreisen konnten. Als mir endlich klar wurde, daß  Moataz von jeder Strafe verschont bleiben sollte, brach ich in Tränen aus. Der Leiter der Ausländerbehörde reichte mir ein Taschentuch, wünschte uns viel Glück und behielt Moataz’ Reisepaß ein.  



Multiplizierte Freude

Dieser Sieg, mit dem niemand, am allerwenigsten unser, in dem Gebiet so bewanderter, Anwalt gerechnet hatte, war überwältigend. Mit Luftschlangen, Tröten und Rasseln stürmten wir das Haus meiner Eltern.
Sie setzten noch einen drauf indem sie kurzerhand zwei Flüge nach Kairo buchten, denn nun wollten sie doch dabei sein und Moataz Familie und sein Land kennenlernen...
Eine Woche nach uns kamen sie in Kairo an, wir wurden von Moataz’ liebenswerteFamilie sehr herzlich aufgenommen und nach dem wir die Behördengänge zur deutschen Botschaft und zum ägyptischen Außenministerium erledigt hatten, stand unserer Hochzeit nichts mehr im Wege.



Der Hochzeitstag

Ich trug den Flamenco-Unterrock meiner Freundin Suse und Brautschuhe für neun Mark von Wertkauf, als sich am 12.02. 1997 unsere gesamte Familie zum einzigen Standesamt in Kairo aufmachte, welches zivilrechtliche Trauungen zwischen Ägyptern und Ausländern vornimmt. Die Straße, das Gebäude und das Zimmer in dem wir uns das Ja-Wort gaben, hätten auch in der South-Bronx liegen können; außer unseren Augen glänzte nur der Goldrahmen des ägyptischen Staatspräsidenten an der Wand. Meine Arabischkenntnisse konnten mir nicht helfen, ich verstand kein Wort von dem, was ich dem Standes-beamten nachsprechen sollte und beim Ringetauschen wurden wir von einem Schokoladenriegelverkäufer unterbrochen, der sich heimlich eingeschlichen hatte. Später gab ihm Moataz Mama zähneknirschend Bakschisch. Bakschisch und gute Beziehungen verhalfen auch dazu, daß wir die Heiratsurkunde nach zwei Stunden anstatt nach zwei Tagen erhielten.
Danach verbrachte ich mit einem Großteil der Familie einige Stunden in der Februarsonne am Nilufer in einem Café, während mein Bräutigam mit seinem Bruder per Taxi quer durch Kairo unterwegs war, unsere Heiratsurkunde übersetzen und legalisieren zu lassen. Dieser Wettlauf mit der Zeit war nötig, damit wir den Antrag auf Familienzusammenführung bei der deutschen Botschaft stellen konnten, noch bevor wir zur Hochzeitsreise aufbrachen. Schließlich stießen mein erschöpfter Bräutigam und sein Bruder wieder zu uns, ihre Rennerei und unser Warten hatten sich gelohnt. Die Kellner indes waren völlig verzweifelt über diese seltsame unvollständige Hochzeitsgesellschaft, bei der ein ständiges Kommen und Gehen herrschte, alle halbe Stunde mal jemand eine Cola bestellte und mit Bauklötzen gespielt wurde. Außer mit Jenga hatten wir uns mit Tröten und Luftballons aufblasen die Zeit vertrieben...
Es folgte die schönste Stunde meines Hochzeitstages: wir heuerten für unsere Großfamilie eine Felukke an, und ließen uns in der Spätnachmittagssonne über den Nil segeln. Danach folgte Hektik und sinnlose Autofahrerei hin und her durch den Kairoer Stadtverkehr. Nach einem kurzen unmotivierten Zwischenstop in Moataz’ Elternhaus folgte eine weitere Höllenfahrt mit dem blumengeschmückten Lada des Cousins, der sich für Michael Schumacher hielt und sich die ganze Fahrt über laut arabisch brüllend mit Moataz verständigte, während ich gar nichts verstand und Todesangst litt. Schließlich gelangten wir endlich auf das pharaonische Dinnerboat, wo es ein köstliches Nachtmahl, eine Band und Bauchtanz mit Bauchnetz gab. Moataz und ich tanzten mit, was die Japaner auf dem Boot zu wilder Knipserei veranlasste.Zurück in Moataz’ Elternhaus stellte mein Vater fest, daß den ganzen Tag noch kein Tröpfchen Champagner geflossen war. Also machten wir uns, nachdem meine Schwiegereltern ins Bett gegangen waren, wieder auf um schließlich eine Hotelbar zu finden, in der wir nur Bier trinken konnten. Die Hochzeitsnacht verbrachten wir in Moataz’ Elternhaus, während im Zimmer nebenan Moataz’ pubertierender Bruder Hausaufgaben machte. Ich konnte darauf allerdings keine Rücksicht nehmen.



Ägypten

Drei Tage später brachen wir zu fünft auf zu unserer Hochzeitsreise: mit meinen Eltern, denn sie hatten uns die Reise spendiert; und dem Cousin, denn der hatte sie noch kurzfristig günstig für uns gebucht.
Wir flogen von Kairo nach Luxor um von dort für 4 Nächte eine Kreuzfahrt auf dem Nil nach Assuan zu machen, von woaus wir wieder zurück flogen. Endlich Wärme, Schönheit und Sonne und jeder von uns wurde einmal magenkrank.
Wieder zurück in Kairo erfuhren wir auf der Botschaft das Moataz sein Familienzusammenführungsvisum nicht bis zu meinem Abreisedatum erhalten würde. Nach einem erlebnisreichen und eindrucksvollen Monat in Ägypten flog ich also ohne meinen Mann wieder nach Deutschland.



Ende gut, alles gut ?!

Als ich prophezeihte, daß ich maximal zwei Wochen würde auf Moataz warten müssen, glaubte mir niemand. Ich besuchte noch einige Male die Ausländerbehörde, die mich, meine Finanzen und meine Wohnverhältnisse aufs Härteste prüfte, und schließlich konnte ich, auch Dank einer Quasi-Bürgschaft meiner Eltern, meinem Mann die Erlaubnis zur Familienzusammenführung nach Kairo schicken, und er war zwei Wochen später, nämlich am 15. 03. 1997 wieder bei mir!

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